Radio Bremen im Jagdfieber
Tierrechtsbund Aktiv e.V. Sagt nein zur Jagd.
In seiner aktuellen Wochenserie begleitet Radio Bremen unkritisch angehende Hobbyjäger.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk trägt als Medium mit Bildungsauftrag eine besondere Verantwortung für die Darstellung komplexer Themen wie der Jagd. Oftmals wird die Jagd in Dokumentationen oder Regionalberichten unkritisch als unverzichtbarer Teil der „Hege“ oder als traditionsreiches Kulturgut inszeniert. Diese unreflektierte Darstellung vernachlässigt die wissenschaftlichen Befunde zur kontraproduktiven Populationssteuerung, die ethischen Konflikte und die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Indem der Rundfunk primär die romantische oder traditionelle Perspektive des Jägers beleuchtet, trägt er dazu bei, die problematische Amateurjagd in der Gesellschaft zu normalisieren und die kritische Debatte über alternative, ökologischere Wildtiermanagementstrategien zu verhindern.
Die Illusion der Notwendigkeit: Eine kritische Analyse der Populationsregulation durch Jagd
Die Jagd ist eine der ältesten Tätigkeiten des Menschen, die in der Moderne oft mit der Begründung der Populationsregulation gerechtfertigt wird. Demnach sei der Jäger ein notwendiger Regulator, der die Populationen von Wildtieren, insbesondere Schalenwild, in einem gesunden Gleichgewicht hält und Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft minimiert. Dieses Argument stützt sich auf die Annahme, dass der Mensch in Ökosystemen, in denen natürliche Prädatoren fehlen, die Rolle des Raubtiers übernehmen muss. Eine kritische ökologische Analyse zeigt jedoch, dass der ausgeübte Jagddruck nicht nur ethisch fragwürdig ist, sondern als Instrument zur langfristigen, stabilen Populationskontrolle oft kontraproduktiv wirkt.

Die Problematik der Amateurjagd reicht über die rein moralische Haltung hinaus und berührt auch die öffentliche Sicherheit. Da die Jagd in vielen Regionen als Freizeitbeschäftigung ausgeübt wird, ist die Jägerschaft überwiegend aus Hobbyisten zusammengesetzt. Der menschliche Fehler in Stresssituationen, die unzureichende Schießfertigkeit unter realen Bedingungen oder die mangelnde Einhaltung von Sicherheitsvorschriften führen regelmäßig zu Jagdunfällen, die Unbeteiligte, Spaziergänger oder andere Jäger treffen können. Diese Unfälle – von der Verwechslung von Menschen mit Wild bis hin zu Querschlägern – unterstreichen die Inkonsistenz: Ein Akt, der als notwendige „Dienstleistung“ für die Natur verkauft wird, bringt gleichzeitig ein unnötiges, vermeidbares Risiko für die menschliche Gemeinschaft mit sich. Die Gefahr, die von einem Hobby ausgeht, kann niemals die angeblich ökologische Notwendigkeit rechtfertigen.
Die ethische Dimension des Themas wird durch Zitate wie das folgende scharf beleuchtet: „Jagd ist nur eine feige Umschreibung für besonders feigen Mord am chancenlosen Mitgeschöpf. Die Jagd ist eine Nebenform menschlicher Geisteskrankheit.“ Theodor Heuss Diese drastische Formulierung spiegelt die tief sitzende moralische Ablehnung wider, die das Töten von Tieren ohne Überlebensnotwendigkeit hervorruft. Die moderne Jagd, insbesondere die Ausübung durch Amateure und als Freizeitbeschäftigung, verschärft diesen ethischen Konflikt erheblich. Aus philosophischer Sicht entfällt jegliche moralische Rechtfertigung, sobald der Akt des Tötens nicht mehr der unmittelbaren Nahrungsgewinnung oder einer staatlich legitimierten, rein professionellen Notwendigkeit dient, sondern der Freude, dem Sport oder dem Trophäenerwerb. Dies steht im Widerspruch zum Konzept des intrinsischen Wertes von Lebewesen, das jedem Tier unabhängig von seinem Nutzen für den Menschen einen eigenen Wert und ein Recht auf körperliche Unversehrtheit zuschreibt. Die amateurhafte Jagd reduziert die Existenz des Tieres auf ein bloßes Objekt der menschlichen Freizeitgestaltung.
Der zentrale Fehler im Konzept des Jagddrucks als Regulationsmechanismus liegt in seiner menschlichen Selektion und den kompensatorischen Mechanismen der Tierwelt. Im Gegensatz zu natürlichen Prädatoren, die oft kranke, schwache oder alte Tiere erbeuten, zielt die Jagd häufig auf die vitalsten und genetisch wertvollsten Individuen ab (Stichwort Trophäenjagd oder einfach die Entnahme großer, gesunder Tiere). Diese fehlgeleitete Selektion schwächt den Genpool einer Population langfristig. Darüber hinaus reagieren viele Wildtierarten, insbesondere das Reh- und Schwarzwild, auf einen erhöhten Tötungsdruck mit einer kompensatorischen Reproduktion.
Wenn eine Population durch Jagd plötzlich dezimiert wird, verbessern sich die Überlebensbedingungen (Nahrungszugang) für die verbleibenden Tiere drastisch. Dies führt dazu, dass die weiblichen Tiere früher geschlechtsreif werden und höhere Reproduktionsraten zeigen (größere Würfe oder erhöhte Überlebensraten der Jungen). Studien zeigen, dass der durch die Jagd verursachte Verlust schnell durch eine höhere Geburtenrate ausgeglichen wird – der „Leerstand“ wird biologisch blitzschnell gefüllt. Anstatt die Population zu stabilisieren, führt der Jagddruck paradoxerweise zu einer jüngeren Population mit höherer Wachstumsrate, was das Problem der Überpopulation und der Wildschäden mittelfristig verschärfen kann.
Ein weiterer destabilisierender Faktor ist die Zerstörung sozialer Strukturen. Bei hochsozialen Arten wie Wölfen, Wildschweinen oder Rotwild kann die Entnahme von Leittieren (z. B. einer Bache oder eines Leitbocks) die gesamte Familien- oder Rudelstruktur zerbrechen. Die Folge sind oft desorientierte Jungtiere, die leichter Wildschäden verursachen, oder eine erhöhte Wanderbewegung, was die Konflikte zwischen Mensch und Tier unnötig verschärft.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Jagd als Mittel zur Populationsregulation weitgehend eine Illusion der Kontrolle darstellt. Die Kombination aus moralischer Verwerflichkeit, dem Risiko für die öffentliche Sicherheit, der unkritischen medialen Darstellung, selektiver Entnahme gesunder Tiere, der Auslösung kompensatorischer Reproduktion und der Destabilisierung sozialer Verbände beweist, dass der Jagddruck nicht nur ineffektiv, sondern oft schädlich für eine nachhaltige Wildtierbewirtschaftung ist. Ökologisch fundiertere Strategien erfordern die Wiederherstellung natürlicher Prädationsmechanismen und die Anpassung von Landnutzungspraktiken an das Wild, anstatt in einem Kreislauf von Töten und kompensiertem Wachstum gefangen zu bleiben.
